Nachdem die Getreideernte bis auf wenige Restflächen mittlerweile im Land überwiegend eingefahren wurde, sind viele Landwirtinnen und Landwirte von Erträgen und Qualitäten häufig enttäuscht. Insbesondere das unbeständige Wetter mit langandauernden Niederschlägen und wenig Sonne, die kurzen Zeitfenster für die Feldarbeiten sowie die aktuell niedrigeren Preise, haben maßgeblich dazu beigetragen. Die Bestellung von Raps- und Wintergetreide war im Herbst aufgrund des feuchten Bodens oft nicht möglich. Vielerorts musste daher auf den Anbau von Sommergetreide im Frühjahr ausgewichen werden. Die Anbauflächen von Winterweizen (minus 25 Prozent) und Winterraps (minus 15 Prozent) schrumpften. Rückgänge sind daher auch bei der Erntemenge von Winterweizen (minus 28 Prozent) und von Winterraps (minus 29 Prozent) zu verzeichnen. Dies ist neben der reduzierten Anbaufläche auf die deutlich niedrigeren Erträge zurückzuführen, die geschätzt sogar unter dem langjährigen Durchschnitt liegen.
Die Anbaufläche von Gerste (Winter- und Sommergerste) hat hingegen zugelegt (plus 14 Prozent). Die Erträge (plus 3 Prozent) sowie die Erntemenge (plus 17 Prozent) liegen über dem Vorjahresniveau. Optimistisch kann auch auf die Futtersituation geblickt werden: Das feuchte Wetter förderte das Graswachstum, sodass ausreichend Schnitte eingefahren werden konnten. Die Maisbestände sind unterschiedlich je nach Standort und Saatzeitpunkt entwickelt. Mit 159.400 Hektar wurde aber annähernd so viel angebaut wie im Vorjahr und rund 8 Prozent weniger als im sechsjährigen Durchschnitt. Die Maisernte steht noch aus.
Werner Schwarz, Minister für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz (MLLEV): „Die diesjährige Erntebilanz zeigt uns, dass die Landwirtschaft trotz allen Fortschritts in besonderem Maße den Risiken des Klimawandels ausgesetzt ist. Veränderte Temperaturen und Niederschläge wirken sich unmittelbar auf den Ertrag und die Qualität unserer Ernteprodukte aus und sind für unsere landwirtschaftlichen Betriebe direkt spürbar. Wir sehen in den letzten Jahren, dass Höchsterträge nur noch selten zu erreichen sind. Als Landesregierung stehen wir fest an der Seite der Landwirtschaft und lassen unsere Landwirtinnen und Landwirte beim Anpassungsprozess an den Klimawandel nicht allein. Denn sie leiden nicht nur unter den Folgen des Klimawandels, sie sind auch ein wichtiger Teil der Lösung. Mit dem Kompetenzzentrum für klimaeffiziente Landwirtschaft wollen wir gemeinsam Antworten für die landwirtschaftliche Praxis im Zeichen der Klimaanpassung und des Klimaschutzes entwickeln.“
Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein: „Die Ackerbaubetriebe in Schleswig-Holstein verzeichnen in diesem Jahr zum Teil sehr hohe Ertragsverluste, besonders bei Winterweizen und -raps. Die niedrigen Marktpreise sorgen zudem für geringere Verkaufserlöse, was in dieser Kombination die Betriebe schwächt. Im neuen Anbaujahr geht es nun darum, mit der Aussaat die richtigen Weichen zu stellen, Anbau- und Preisrisiko abzusichern. Dabei werden sich Landwirtinnen und Landwirte auf weitere Wetterextreme und festsitzende Witterungsperioden einstellen müssen. In den aktuellen Landessortenversuchen stand die Gesundheit der Pflanzen besonders im Fokus, denn es gab witterungsbedingt einen hohen Krankheitsdruck. Unsere Versuchsergebnisse fließen direkt in die Beratung ein. Die Landwirtschaftskammer steht den Betrieben unter anderem in Ackerbau-, Pflanzenschutz- und Unternehmensberatung zur Seite. Wenn es um große Veränderungen auf den Höfen geht, rücken vor allem die Menschen, die dort leben und arbeiten, neben dem betriebswirtschaftlichen Aspekt, in den Mittelpunkt.“
Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein: „Sowohl die klimatischen als auch die politischen Rahmenbedingungen führen in den landwirtschaftlichen Betrieben zu einem weiteren Jahr mit reduzierten Erträgen und Erntequalitäten. Vor dem Hintergrund der Ertragssicherung und der Ernährungssouveränität gewinnt das Thema Pflanzenschutz zunehmend an Bedeutung. Die deutschen Landwirte haben in weniger als zehn Jahren fast 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel eingespart, oft durch innovative Ausbringungstechnik. Eine immer kleiner werdende Wirkstoffpalette führt zu immer mehr Resistenzen bei Schaderregern und Unkräutern. Wir brauchen eine breite Palette von Wirkstoffen, um Pflanzenkrankheiten wirksam bekämpfen zu können. Die Sicherung unserer heimischen Versorgung hängt entscheidend davon ab.“
Überblick über die Erntestatistik der Kulturen:
Nach Angaben des Statistikamtes Nord stand in diesem Jahr Getreide insgesamt auf einer deutlich kleineren Fläche (ohne Körnermais und Corn-Cob-Mix) als im Vorjahr (272.200 Hektar gegenüber 294.000 Hektar in 2023), das sind rund 41 Prozent der Ackerfläche. Es wird voraussichtlich eine Erntemenge von etwa 2 Millionen Tonnen Getreide (ohne Körnermais), darunter 899.000 Tonnen Winterweizen erwartet. Die diesjährige Getreidemenge läge damit voraussichtlich 9 Prozent unter der des Vorjahres.
Dies ist neben der verringerten Anbaufläche (minus 22.000 Hektar bzw. minus 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) vor allem auf die nassen Aussaatbedingungen im Herbst letzten Jahres und auf die unbeständige und niederschlagsreiche Witterung mit zu wenig Sonne in der Vegetationsperiode insgesamt zurückzuführen.
Die Winterweizenerträge werden mit 79,5 dt/ha rund 4 Prozent unter dem Vorjahresniveau und sogar 9 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt (87,7 dt/ha) geschätzt. Die Anbaufläche ist mit 113.100 Hektar deutlich geringer als im Vorjahr (minus 25 Prozent). Winterweizen ist nach wie vor in Schleswig-Holstein die wichtigste Marktfrucht im Ackerbau. Die Erntemenge fiel mit knapp 0,9 Millionen Tonnen deutlich schlechter (minus 28 Prozent) als im Vorjahr aus und sogar 31 Prozent weniger als der langjährige Durchschnitt. Die Fallzahlen reichen meist noch aus, es fehlt aber an Protein. So wurden die nötigen Proteingehalte von 12 Prozent für Backweizen nur selten erreicht. Die schwachen Preise drücken zusätzlich die Stimmung der Erzeugerinnen und Erzeuger.
Wintergerste, welche in diesem Jahr ertragsmäßig den Winterweizen toppen konnte, wurde auf einer um 3 Prozent gesteigerten Fläche von 73.400 Hektar an-gebaut. Es wird ein Hektarertrag von knapp 84,3 dt/ha erwartet. Diese Ertrags-schätzung liegt knapp auf Höhe des langjährigen Durchschnittswertes, aber fünf Prozent über dem des Vorjahres. Die Erntemenge von rund 0,62 Millionen Tonnen fällt voraussichtlich um sieben Prozent höher aus als 2023 und zehn Prozent mehr als im sechsjährigen Durchschnitt.
Für Roggen (einschließlich Wintermengengetreide) wird eine Erntemenge von 177.500 Tonnen prognostiziert. Dies sind etwa 32.000 Tonnen (minus 15 Prozent) weniger als im letzten Jahr.
Die prognostizierte Druscherntemenge der Sommergetreide wie Sommerhafer, Sommerweizen und -gerste fällt in diesem Jahr mit knapp 284.500 Tonnen (plus 141 Prozent) deutlich höher aus als im Vorjahr. Dies ist zum einen auf die stark
vergrößerte Anbaufläche (plus 76 Prozent) und zum anderen auf die recht guten Erträge von knapp 55,4 dt/ha der Sommergetreidearten (plus 37 Prozent) zurückzuführen.
Winterraps erreichte mit 32,8 dt/ha auch gegenüber dem niedrigen sechsjährigen Mittel (38,3 dt/ha) ein sehr schlechtes Ergebnis. Gegenüber dem Vorjahr sind das minus 16 Prozent. Die geschätzte Erntemenge liegt mit 232.300 Tonnen (minus 96.000 Tonnen) unter der Erntemenge von 2023. Begründet ist dies zum einen in der um 15 Prozent geringen Anbaufläche als auch im unterdurchschnittlichen Ertrag. Die Erzeugerpreise sind in den letzten Wochen stark gefallen auf rund 42 Euro/dt. Raps ist nach Winterweizen und Wintergerste diesmal nur die drittwichtigste Marktfrucht im Ackerbau in Schleswig-Holstein.
Verantwortlich für den Pressetext: Daniela Rixen, Pressesprecherin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Telefon: 0 43 31-94 53-110, E-Mail: drixen@lksh.de; Jana Ohlhoff und Hanna Kühl, Ministerium für Landwirtschaft, Ländliche Räume, Eurpoa und Verbraucherschutz, Telefon: 04 31-988-71 58, E-Mail: pressestelle@mllev.landsh.de