Inzwischen wurde 447 Mal das Zertifikat „Bauernhofpädagoge/in“ von der Landwirtschaftskammer verliehen. Das Spektrum der Angebote im Land reicht vom Kinderfest über Jahreszeitenkurse bis zum Englisch- oder Biologieunterricht auf dem Bauernhof. Schleswig-Holstein hat mit seinem breiten konstanten Bildungsangebot über diese lange Zeit und diesem beispielhaften Netzwerk eine Vorreiterrolle im gesamten Bundesgebiet eingenommen. Dieser Erfolg wird am Freitag, den 8.11.24 mit 160 geladenen Gästen im Drathenhof in Kiel-Molfsee gefeiert. Die Veranstaltung setzt weitere Impulse für die Zukunft, neue Projekte werden vorgestellt und außerdem erhalten die 22 Teilnehmer/innen des Lehrgangs Bauern-hofpädagogik 2024 ihre Zertifikate.
Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer, sagt anlässlich des Jubiläums: „Es war 2005 die erste umfangreiche Qualifikation dieser Art im gesamten Bundesgebiet. Darauf sind wir sehr stolz hier in Schleswig-Holstein! Der Bauernhof ist eine wahre Schatzkammer für Naturerlebnisse. Früher war es selbstverständlich, Kinder haben einfach mitgemacht auf den Höfen und waren Teil des Systems. Sie haben beobachtet, geholfen, sie haben Verantwortung übernommen und sich in ein Team integriert. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Herbstferien dazu da, beim Bauern Kartoffeln aufzusammeln. Heute müssen wir dafür extra Räume schaffen. Naturerfahrungen sind längst keine Selbstverständlichkeit mehr“, betonte die Kammerpräsidentin. Diese sei aber so wichtig, denn was man kennt, das kann man schützen und wertschätzen.
Die Präsidentin der Landwirtschaftskammer betont weiter: „Alle Dimensionen der Bildung für nachhaltige Entwicklung werden auf einem landwirtschaftlichen Betrieb abgebildet. Ökologie, Ökonomie und Soziales müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen – nur so kann ein Hof langfristig überleben.“
Klaus Peter Lucht, Präsident des Bauernverband Schleswig-Holstein, gratuliert der Landwirtschaftskammer zu diesem Erfolg und betonte: „In Schleswig-Holstein hat die Bauernhofpädagogik eine lange Tradition und ist damit Vorreiter in Deutschland. Dies macht mich stolz, denn der Bauernhof ist ein wichtiger Lernort für Kinder und Jugendliche. Innovative Landwirtinnen und Landwirte werden im Rahmen eines Lehrganges durch die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein geschult, diese wichtige Bildungsarbeit anbieten zu können. Gute Ideen und Kreativität hat den Betrieben damit ein weiteres betriebliches Standbein ermöglicht.“
Bauernhofpädagogik und soziale Landwirtschaft auf dem Vorwiesenhof
Auf dem Vorwiesenhof zeigten Elisabeth und Charlotte Schlichting (Mutter und Tochter), am 6. November, Kindern aus der Umgebung im Alter von 9 bis 14 Jahren wie, die Hühner, Schafe und Rinder auf dem Hof versorgt werden. Die Kinder fütterten die Tiere und konnten sich anschließend ihr eigens Frühstück – ein Müsli – zusammenstellen. Im Fokus stand also das Thema Getreide. Der Vorwiesenhof liegt südlich am Stadtrand von Lübeck. Es ist ein fa-miliengeführter Mischbetrieb mit Ackerbau, Rinderhaltung, Direktvermarktung und sozialer Landwirtschaft. Im Hofladen werden Spargel, Geflügel und Wild aus dem eigenen Revier sowie Produkte aus der Nachbarschaft vermarktet. Auf dem Betrieb leben 120 Rinder sowie acht Hühner, sechs Schafe und Hofhund Amy. Insgesamt werden 210 ha bewirtschaftet, davon sind 40 ha Grünland.
Elisabeth und Charlotte Schlichting haben sich der Landwirtschaftskammer Schleswig-Hol-stein qualifiziert. Beide sind jetzt zertifizierte Bauernhofpädagoginnen und Charlotte ist au-ßerdem Physiotherapeutin mit der Zusatzqualifikation Fachkraft für tiergestützte Intervention.
Am 8. November wird das 20-Jährige gefeiert
Am Festabend (8. November) stellten erfahrene Bauernhofpädagoginnen ihre verschiedenen Formate und Konzepte ihrer bauernhofpädagogischen Angebote vor. Die Festredner Stefan Ruppaner (Schulleiter a. D. der Allemannenschule Wutschingen) und Christina Burkard (Betriebsleiterin und Bauernhofpädagogin vom Lindenhof Wutschingen) vom Bodensee sprechen zum Thema Preisgekrönte Schule und glückliche Kinder – so kann es gehen. Sie gaben lebhafte Einblick in das innovative Schulkonzept. „Was stört, ist der Unterricht“, so Ruppaner Initiator des Schulkonzeptes. Wie Lernen auch ohne Unterricht, in Kooperation mit einem Bauernhof gelingen kann, haben die beiden Redner/innen anschaulich vermittelt.
Heiderose Schiller, Beraterin der Landwirtschaftskammer, und Christine Hamester, Pionierin in Sachen Bauernhofpädagogik, haben 2005 den Lehrgang „Bauernhofpädagogik“ entwickelt und ins Leben gerufen. Sie gaben Einblicke in die 20-jährige Geschichte des Lehrgangs. Mit dem Bauernhof als wahrer Schatzkammer sei man das ganze Jahr nah dran an der Natur. Wissen werde erfahrbar durch das selber tun. „Kinder erleben die Bedeutung von Kreisläufen, was es heißt, tagtäglich für das Wohl der Tiere verantwortlich zu sein, zusammen zu leben und zusammen zu arbeiten. Es ist eine überschaubare wirtschaftliche Einheit. Es ist ein Ort der Geschichte und Kultur“, so die Kammerberaterin Heiderose Schiller.
Nicht immer steht Bildung drauf, wo Bildung geschieht
Auch außerhalb der Klassenräume werden Erfahrungen gemacht, die Kinder prägen und sie in ihrem späteren Leben für die aktuellen Themen ihrer Zeit sensibel machen, so der Tenor der Landwirtschaftskammer. Gerade der Alltag auf einem Bauernhof biete so eine Fülle von Lernmöglichkeiten.
Getreide mahlen, ein Lagerfeuer machen und Stockbrot backen – das sind heute alles keine Selbstverständlichkeiten mehr. Auch nur ein Tier zu streicheln oder zu füttern ermöglicht Kompetenzerwerb, wie zum Beispiel Empathie, eine Kompetenz, die auch in der Bildung für nachhaltige Entwicklung gefordert wird.
Mit Bauernhofpädagogik zum neuen Einkommen
Die Pioniere in Sachen Bauernhofpädagogik haben schon vor 30 Jahren gemerkt, dass es hier einen Bedarf gibt, den die Landwirtschaft mit neuen Angeboten decken kann. Mit Geschäftssinn und guten Ideen haben sie neue Standbeine für ihre Betriebe geschaffen.
So wie zum Beispiel die Bäuerin und Erzieherin Christine Hamester. Sie hat auf ihrem Hof im Kreis Herzogtum Lauenburg schon damals ein vielseitiges Angebot für Kinder entwickelt.
Vom Kindergeburtstag über Schulklassenbesuche, Kinderfeste, Jahreskurse und Englischunterricht auf dem Hof war alles dabei.
Schon damals haben diese innovativen Unternehmerinnen nicht gewartet, bis es Förderungen gab, sondern angefangen. Das Angebot musste so gut sein, dass die Kunden das gewünschte Geld dafür gerne ausgeben.
Seit einigen Jahren bekommen die Betriebe für Schulklassenbesuche vom Bildungsministerium und vom Landwirtschaftsministerium eine Aufwandsentschädigung, um den Schulen einen Hofbesuch zu erleichtern.
Historie 20 Jahre Bauernhofpädagogik
1998 hat die Landwirtschaftskammer im Rahmen des Fachbereiches Einkommenskombinationen das Thema aufgegriffen und die ersten Schulungen dazu angeboten. Schnell wurde klar, dass eintägige Veranstaltungen nicht ausreichen, um für dieses komplexe Thema zu qualifizieren und der Lehrgang entstand. Theorie und Praxis wurden zusammengespannt. Herausgekommen ist 12-tägige „Lehrgang für Bauernhofpädagogik“, in 4 Blöcken, ganz dicht an der Praxis, mit einer persönlichkeitsbildenden Komponente.
Folgende Inhalte werden in dieser Qualifikation vermittelt:
• Persönliche und betriebliche Ressourcenanalyse
• Pädagogische Grundlagen und wie wird Wissen zum Erfahrungsschatz
• Bildung für nachhaltige Entwicklung
• Erlernen von Techniken wie z. B. Filzen und Gärtnern mit Kindern
• Planung und Durchführung von ersten bauernhofpädagogischen Übungseinheiten unter fachkundiger Anleitung
• Umgang mit schwierigen Kindern, besorgten Eltern und anspruchsvollen Lehrkräften
• Betriebliche und rechtliche Grundlagen, Versicherungen und Hygiene
• Das Tierwohl im pädagogischen Kontext
• Pädagogische Angebote als Einnahmequelle Wirtschaftlichkeitsberechnung und Marketing
Die 22 Absolventen des Lehrgangs Bauernhofpädagogik heißen:
Daniela Andersen, 25980 Sylt/OT Westerland, Kreis NF
Telse Espermüller, 24986 Satrup, Kreis SL-FL
Petra Gondesen, 24991 Großsolt, Kreis SL-FL
Marie-Luise Großmann, 23566 Lübeck
Lena Hagen, 24986 Mittelangeln, Kreis SL-FL
Lara Hansen, 24794 Neu Duvenstedt, Kreis RD-Eck
Theresia Holz, 23881 Koberg, Kreis Herzogtum Lauenburg
Katja Ivens, 24589 Nortorf, Kreis RD-Eck
Elisabeth Keese, 24106 Kiel
Merle Lange, 24634 Padenstedt, Kreis RD-Eck
Mareike Lorenzen, 24975 Husby, Kreis SL-FL
Carolina Meyer, 23738 Manhagen, Kreis OH
Benjamin Moeckelmann, 24632 Lentföhrden, Kreis SE
Philine Moeckelmann, 24632 Lentföhrden, Kreis SE
Nicole Möller-Titel, 19073 Stralendorf, Mecklenburg-Vorpommern
Johanna Riedesel Frfr. zu Eisenbach, 23779 Neukirchen, Kreis OH
Charlotte Schlichting, 23560 Lübeck
Elisabeth Schlichting, 23560 Lübeck
Elena Schuster, 8400 Biberach, Baden-Württemberg
Raika Sophia Steckel, 23623 Ahrensbök, Kreis OH
Annika Wendt, 25597 Westermoor, Kreis Steinburg
Wiebke Wendt, 25597 Westermoor, Kreis Steinburg
Ute Volquardsen gratulierte den Absolventen 2024 und ermutigte sie in die Umsetzung zu gehen, Neues zu wagen und sich zu vernetzen: „Sie werden auch weiterhin von der Landwirtschaftskammer hervorragend betreut. Im Rahmen des Expertenforums gibt es jedes Jahr umfangreiche Aufbaukurse. Vom Arbeitskreis, über Exkursionen und Seminare zu Themen wie die Entwicklung neuer Konzepte, Kundengewinnung und Gärtnern mit Kindern ist für jeden was dabei“. Ute Volquardsen bedankte sich abschließend beim Land Schleswig-Holstein und der EU für die Förderung des Lehrgangs über das ELER-Programm. „Wir empfinden dies als Wertschätzung gegenüber den Menschen, die sich qualifizieren, um auf den Höfen hochwertige pädagogische Arbeit zu leisten“, so die Präsidentin der Landwirtschaftskammer.
Fazit: Lernen mit Kopf, Herz und Hand
Ziel war und ist es, damals und heute, mit einem einzigartigen, individuellen Konzept Men-schen für den Hof zu begeistern, um damit einen zusätzlichen Einkommensbeitrag zu erwirt-schaften. Wichtig war von Anfang an, dass schon während des Lehrgangs mit Kindern gear-beitet und geübt wird. So gehört eine fachliche Hausarbeit mit zum Programm des Lehrgangs, in der jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer eine pädagogische Einheit für den eigenen Hof entwickelt und durchführt. Auch für diesen Lehrgang gilt die Prämisse „lernen mit Kopf, Herz und Hand“. Der Lehrgang ist seit Jahren weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins bekannt. Das bewährte Konzept wurde von verschiedenen Bundesländern übernommen und der Begriff Bauernhofpädagogik ist in der Szene nicht mehr wegzudenken.
Gut vernetzt
Inzwischen gibt es in Schleswig-Holstein ein flächendeckendes Netz von Bauernhöfen, die ihre Tore öffnen und Kindern die Landwirtschaft mit all ihren Facetten näherbringen. Der Fachbereich Einkommenskombinationen und das Schulklassenprojekt der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein arbeiten Hand in Hand. Außerdem gehört die Landwirtschaftskammer zum Akteursnetzwerk der Bildungsoffensive des Landwirtschaftsministeriums.
Eine fachliche Zusammenarbeit mit den anderen Landwirtschaftskammern und mit der Bundesarbeitsgemeinschaft „Lernort Bauernhof“ sind selbstverständlich.
Verantwortlich für diesen Pressetext: Daniela Rixen, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Tel.: 0 43 31-94 53-109, drixen@lksh.de