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Klimaschutz auf Moorböden bringt bares Geld

Das Klimapunkte-Modell macht es Eigentümer*innen von Moorflächen möglich, Geld zu verdienen und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz zu tun. Dieses innovative Instrument zur Bewertung und Vergütung von Flächen nach ihrem Klimaschutzpotenzial ist deutschlandweit einzigartig und made in Schleswig-Holstein.

Holm Marx aus Schafstedt (li.) und Walter Hemmerling, Vorstand der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein Foto: Stiftung Naturschutz S-H

Übersicht der Pilotgebiete. Karte: Stiftung Naturschutz SH

Konkret funktioniert das Klimapunkte-Modell so: In einem ersten Schritt wird für das trockengelegte Moor die mögliche CO2-Einsparung durch Vernässung bewertet und berechnet. Das ergibt die Klimapunkte für die Fläche. Stimmt ein*e Flächeneigentümer*in der Vernässung dann zu, wird das über die Klimapunkte ermittelte Klimaschutzpotenzial in einem zweiten Schritt vergütet. Sie verkaufen die Vernässungsrechte, können aber Eigentümer der Fläche bleiben. Die Vergütung richtet sich nach den berechneten Klimapunkten der Gesamtfläche, dem CO2-Preis und einen Zeitraum von dreißig Jahren. In der Regel wird der Preis für den Ankauf über das Klimapunkte-Modell höher liegen als der Kaufpreis am Flächenmarkt.

Ein Klimapunkt entspricht einer Tonne Treibhausgas pro Jahr (gemessen in CO2-Äquivalenten), die auf einer Moorfläche durch Vernässung eingespart werden kann. Stößt also ein Hektar tief entwässerter Maisacker auf Moor heute jedes Jahr 30 Tonnen CO2 aus, etwa so viel wie drei Bundesbürger, würde ein*e Flächeninhaber*in dafür 30 Klimapunkte bekommen. Das ist das Klimaschutzpotential der Fläche. Dieses ist stark abhängig vom aktuellen Zustand ist und wird mithilfe des GEST-Modells der Uni Greifswald berechnet

Jetzt in weiteren Gebieten in Schleswig-Holstein

Dieses neue Instrument folgt dem Trend, Leistungen von Ökosystemen in Wert zu setzen. Das Modell wird seit 2021 in Schleswig-Holstein erfolgreich getestet und wird jetzt auf weitere moorreiche Regionen ausgeweitet. Bisher konnten in sechs Pilotgebieten sowohl die Eigentümer*innen als auch das Klima vom Klimapunkte-Modell profitieren. In der nun beginnenden zweiten Phase kommen weitere Gebiete dazu, nach einer erfolgreichen Evaluierung soll das Vergütungsmodell auf ganz Schleswig-Holstein ausgeweitet werden. Auch Klimaschutzverantwortliche aus anderen moorreichen Bundesländern haben sich bereits bei den Expert*innen aus Schleswig-Holstein über die Klimapunkte informiert.

Pilotgebiete Phase I
(ab 2021)

  • Stecknitz-Delvenau-Niederung
  • Duvenseer Moor   
  • Schönberger Niederung
  • Bargteheider Moor
  • Miele-Niederung
  • Teile der Eider-Treene-Sorge-Niederung
 

neue Pilotgebiete Phase II
(ab 2022)

  • Vaaler Moor
  • Oberalster-Niederung und Nienwohlder Moor
  • Seelandmoor
  • Bokelseßer Moor
  • Haselunder Moor

 

 

Das Klimapunkte-Modell ist Teil des Programms Biologischer Klimaschutz. In diesem hat sich die Landesregierung von Schleswig-Holstein das Ziel gesetzt, bis 2030 jährlich 717.500 Tonnen CO2-Äquivalente einzusparen. Der größte Teil soll über die Wiedervernässung trockengelegter Moorböden erreicht werden. Für den Erwerb von Vernässungsrechten über die Klimapunkte sowie auch für den Ankauf von geeigneten Flächen hat das Land Schleswig-Holstein Finanzmittel bereitgestellt. Mit der Umsetzung der Moor-Vernässungen ist die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein betraut worden. Die Moorexpert*innen aus dem Kompetenzteam Biologischer Klimaschutz berechnen die Klimapunkte für Flächen, sind Ansprechpartner für Flächeninhaber*innen, wenn es um Klimapunkte oder den Verkauf eines Moor-Grundstücks geht und kümmern sich um die konkrete Vernässung, von der Planung bis zu den Baumaßnahmen.

Wer seine Moorfläche nach dem Klimapunkte-Modell bewerten lassen oder verkaufen möchte, kann sich an Erich Ruser bei der Stiftung Naturschutz wenden, Telefon 0431 / 210 90 120.

Ein Geschäft, das sich für alle lohnt

Holm Marx aus Schafstedt hat genau das getan. Der ehemalige Milchviehhalter hat für ein Stück Land im Welmbütteler Moor, das er nicht mehr nutzt, die Klimapunkte ausrechnen lassen und schließlich die Vernässungsrechte verkauft. Diese werden ins Grundbuch eingetragen und Holm Marx bekommt die errechnete Vergütung. Nun kann die Stiftung Naturschutz die Fläche zusammen mit umliegenden Flurstücken vernässen und so Stück für Stück das Welmbütteler Moor renaturieren. Auf diese Weise werden zunächst viele Tonnen Treibhausgase nicht mehr ausgestoßen, später können bestimmte Pflanzen im Moor sogar wieder neuen Torf produzieren und damit aktiv CO2 aus der Atmosphäre entziehen. Denn ist ein Moor wieder nass, kommen auch die typischen Pflanzen und Tiere zurück. So wird das Welmbütteler Moor vom Klimakiller zum Klimaschützer und zugleich zu einem wichtigen Lebensraum für stark angepasste Arten.

Holm Marx: „Für mich war die Fläche im Moor nutzlos. Jetzt kann ich über die Klimapunkte damit noch Geld verdienen und in neue Projekte stecken, gleichzeitig tu ich was für das Klima und die Natur. Das ist doch ein Gewinn für uns alle.“

Walter Hemmerling, Vorstand der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein: „Die Klimapunkte sind jetzt die Chance für alle, die Moorflächen in den Pilotgebieten besitzen, sich die Leistung für den Klimaschutz bezahlen zu lassen. Wäre ich Flächeninhaber, würde ich die Vergütung mitnehmen und könnte mich dabei noch als Klimaretter fühlen. Wir als Stiftung Naturschutz kommen mit den Klimapunkten unserem Ziel, möglichst viele Moore wieder nass zu bekommen, ein großes Stück näher.“ 

Hintergrund:

Moore sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher der Welt. Sie bedecken nur 3 % der Erdoberfläche, speichern aber doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Moorböden nass sind, so dass die Torfmoose wachsen und CO2 aus der Luft binden können. Heute sind ca. 90 % der deutschen Moore entwässert, um die Flächen zu nutzen. Legt man Moorböden aber trocken, werden sie von Kohlenstoffspeichern zu echten Klimakillern und geben laufend CO2 ab. Ist der gespeicherte Kohlenstoff nicht mehr vom Wasser luftdicht abgeschlossen, verbindet er sich mit dem Sauerstoff der Luft zum Treibhausgas CO2.

So kommen fast 7 % der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen aus entwässerten Moorböden. Die Moore In Schleswig-Holstein geben jedes Jahr ca. 2,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre ab, so viel wie der gesamte PKW-Verkehr im Land.

Unser neues Kompetenzteam Biologischer Klimaschutz wird bis 2030 auf 20.000 Hektar entwässerten Moorböden in Schleswig-Holstein den optimalen Wasserstand wiederherstellen. Das stoppt im ersten Schritt sofort die CO2-Emissionen, nach wenigen Jahren beginnt die Torfschicht wieder zu wachsen und filtert CO2 aus der Luft.  Die Moore werden von Klimakillern wieder zu Klimaschützern.

Dabei entstehen zugleich Lebensräume für zahlreiche auf das Moor spezialisierte Pflanzen- und Tierarten. Das ist die zweite Funktion des Biologischen Klimaschutzes. Damit verbinden wir in Schleswig-Holstein zwei der drängendsten Themen unserer Zeit, die Begrenzung des Klimawandels und die Erhaltung der Biodiversität.